Nach den Pandemiejahren bin ich dieses Jahr endlich mal wieder auf die Embedded World nach Nürnberg gefahren. Gut, dass die Veranstaltung nicht nächste Woche beginnt. Dann hätte man das Geld wohl abschreiben können, dank ausufernder Streiks.
Es stellte sich natürlich zuerst die Frage welches Transportmittel man nimmt. Noch 2019 war ich mit dem Flieger von airberlin nach Erlangen-Nürnberg geflogen. Damit war sogar ein 1-Tages-Trip jederzeit möglich, auch sehr beliebt für den Besuch der SPS/IPC/Drives. Morgens um 06:30h hob der Flieger von Hamburg ab, so das man noch vor Eröffnung der Messe vor Ort war. Abends um 20:45h ging es dann zurück, so hatte man sogar noch Zeit bei Lebkuchen-Schmidt vorbeizuschauen. Gut, diesen Flieger gibt es nicht mehr. Andere Angebote mit Umstieg sind mittlerweile dermaßen teuer, das man doch lieber auf andere Transportmittel umsteigt. Der Zug ist da generell eine gute Alternative. Die direkte Verbindung per ICE über Hannover brauch etwas mehr als 5h. Leider ist das Zugziel einige Wochen nach der Buchung verkürzt worden, und der Zug startete erst ab Hannover. Also bin ich über Berlin gefahren, um nicht noch umsteigen zu müssen. Das sind dann solide 6h. Die Bahn fuhr immerhin pünktlich(!). Lediglich in Berlin ist etwas Verspätung aufgebaut worden. Bis Nürnberg war diese Verspätung aber wieder aufgeholt worden. Dank eines frühen Buchens war auch die erste Klasse mehr als erschwinglich, ca. 65€. Teams-Meetings, selbst wenn es nur Audio ist, gehen eher schlecht. Da geht sicherlich noch was. Ansonsten ist das Schreiben von Emails aber durchaus möglich.
Die ersten beiden Tage auf dem Messegelände war ich auf der Embedded World Conference.Am ersten Tag habe ich mir die Keynote von Daniel Cooley, CTO Sillicon Labs, angehört, und mehrere Sessions. Zwei Dinge habe ich aus dieser Keynote mitgenommen:
1) der Markt der embedded systems wird weiter signifikant wachsen, und, die Vernetzung der Geräte wird in den nächsten Jahren sicherlich im Vordergrund stehen. D.h. hier ist sicherlich auch in Zukunft ein interessantes Betätigungsfeld für Informatiker und Elektroniker zu finden.
2) Benutzt keine Barebones! 😉 Spendiert Euren Geräten zumindestens ein RTOS wie ThreadX, FreeRTOS, TNKernel, etc. Dabei macht es doch total Spaß einen Arduino zu programmieren und den direkten Kontakt mit der Physik zu erleben…
Hervorheben möchte ich noch die Session „Introduction to Hardware Efficiency for Embedded Systems“ von Ivica Bogosavljevic über zeitoptimierte Algorithmen. Alleine durch eine genaue Überlegung was man in mehreren verschachtelten for-Schleifen vergleichen will, kann man erheblich Zeit sparen. Auf der Homepage seiner Firma hat er auch jede Menge Tipps und Trick abgelegt: Welcome to Johnny’s Software Lab! – Johnny’s Software Lab (johnnysswlab.com) Des Weiteren war der Vortrag von Prof. Dr. Rainer Koschke über die Visualisierung von Code im Cyberspace sehr hörenswert. Er referierte darüber wie man im Team sich Code Cities anschauen kann und die Komplexität visualisieren kann. Daneben zeigt er auf wie Architektur und Implementierung visuell miteinander verbunden werden können.
Am zweiten Tag hatte ich eine Class gebucht, über Modern C++, Multithreading und Advanced Debugging. Das Meiste im Bereich Modern C++ war mir schon bekannt. Richtig gut war der mittlere Teile über die verschiedenen Arten des Multithreading. Gerade modernes C++ bietet hier sehr viele Spielarten und man muss gut Bescheid wissen, um sich nicht jede Menge Probleme einzuhandeln. Der Vortragende riet auch dazu, wenn es geht, auf Speichersynchronisation zu verzichten und stattdessen lieber message passing zu verwenden.
Am letzten Tag bin ich über die Messe gegangen und haben an dem einen oder anderen Stand gehalten. Gut gefallen hat mir der Besuch bei embeetle, die eine IDE speziell für Mikrocontroller entwickeln, die für den Entwickler frei zu erhalten ist. Cool war auch das Testsystem miniHIL von Protos aus München womit man mit einem Evaluationsboard und einer Spezifikationssprache vollautomatische Tests definieren konnte, zumal das System in eine CI/CD pipepline voll integriert war (keine Sorge ich bekomme nichts für diese Erwähnung, aber gute Produkte sollte man auch erwähnen dürfen). Auf dem Stand von Parasoft habe ich mir deren Werkzeug für die Qualitätssicherung zeigen lassen. Ein wirklich nützliches Feature war, dass das Werkzeug für Code automatisch Testfälle generieren konnte. Das wird sicherlich nicht die finale Testlösung sein, kann aber erheblich Zeit sparen.
Generell ist festzuhalten, dass die Messe zwar wieder mehr Besucher hatte als letztes Jahr, aber doch noch deutlich weniger als vor der Pandemie (ca. 27.000 vs. 32.000). Das Gleiche gilt auch für die Ausstellungsfläche und die Ausstelleranzahl (950 in 2023 gegenüber über 1100 in 2019). Entsprechend hat sich auch die Besucheranzahl auf den beiden Konferenzen reduziert. Dazu war auch das Catering-Angebot bei den Konferenzen dürftiger als noch 2018. Der morgendliche Kaffee viel aus.
Ich hoffe, dass der Besucherschwund nur den Nachwehen der Pandemie zu verdanken und deutet nicht unbedingt auf die vielerorts befürchtete De-Industrialisierung in Deutschland hin. Die Cebit haben wir ja schon verloren, und die Hannovermesse hat in den letzten zehn Jahren auch einen erheblichen Besucherschwund zu verzeichnen gehabt (noch 2014: 241.000 Besucher, 2019: 215.000, 2022: 75.000 – 1985, vor der Abspaltung der Cebit, waren es sage und schreibe 872.000 Besucher). Es bleibt abzuwarten.
Die Messe und die Konferenz sind wirklich eine schöne Institution. Etwas schade finde ich, dass die Folien der Vorträge nicht zur Verfügung gestellt werden. Bei dem Preis ist das für mich nicht so ganz nachzuvollziehen. Insgesamt aber ein gutes Erlebnis! Ich komme wieder.